Amazonas Storys

 

 

Viele Caboclos leben in bitterer Armut, junge Caimane sind ihre Haustiere zum spielen

Die Nabelmütter vom Amazonas

 

Caboclos - so nennt man das  Mischlingsvolk aus Indianern und Weissen in dem von zahlreichen Wasserarmen durchzogenen Amazonasbecken. Die Dörfer sind oft nicht ans Stromnetz angeschlossen, haben kein fließendes Wasser und keine medizinische Versorgung. Das wasserreiche Land läßt an über weite Flächen keinen Straßenbau zu. Nur mit Schiffen oder teilweise nur mit kleinen Booten kann man diese Menschen erreichen. Ihre Häuser "Flutantes" genannt, schwimmen auf mächtigen Stämmen uralter Bäume. Die Menschen führen ein einfaches, entbehrungsreiches Leben. Dennoch werden dort jährlich  über 120.000 Geburten registriert.

"Gebären ist wie ein Sturm. Meine Aufgabe ist es, die Frau durch diesen Sturm zu begleiten", sagte  Doña Maria Silva, eine Hebamme aus Amazonien einmal gegenüber europäischen Journalisten. Caboclohaus am Rio Solimoes, Amazons

 

Wenn die Wehen einsetzen, ruft man traditionell erfahrene alte Frauen als Hebammen herbei, die den jungen Frauen dank ihres angestammten Wissens bei der Geburt helfen.

 Die amazonischen Hebammen werden Nabelmütter genannt. Sie leisten weit mehr als nur medizinische Hilfe. Caboclohaus in einem Seitenarm des Rio Madeira

Ähnlich wie die Medizinmänner der Indianer stellen sie aus den Pflanzen der Umgebung Arzneien her, deren mündlich überlieferte Rezeptur nur sie kennen und die über viele Jahrhunderte weitergegeben wurden. Die alte Doña Ida berichtete den Neugierigen ausführlich vom Beginn ihrer Hebammentätigkeit, während derer sie Hunderte von Geburten begleitete: "Als ich mein erstes Baby geholt habe, war ich 15 Jahre alt. Es kam mit dem Fuß zuerst heraus. Ich hab's geschafft, weil mir Gott beistand."

Gegenwärtig praktizieren etwa 60.000 traditionelle Hebammen im Lande, vor allem im Norden und Nordosten Brasiliens. Lebensgefährlichen Situationen begegnen sie mit Solidarität, Weisheit und gesundem Menschenverstand,  denn oft  fehlt es an der primitivsten medizin-technischen Ausstattung. Doch wenn dann wieder ein Kind gesund das Licht der Welt erblickt, ist das Lohn genug für ihre Mühen.

 

Mobiler Justizbus, Amazonas

Mobile Justiz

Gelegentlich fährt über den "Meeresfluss" und seine unzähligen Nebenarme ein Schiff, dessen beste Zeiten auch schon länger zurückliegen. Es trägt den stolzen Namen "Almirante do Brasil" . Oder über die staubigen Strassen des Interiors rollt ein alter, weißer Bus. Beide Gefährte werden von den Menschen schon erwartet.  Sie haben  ungewöhnliche Menschen an Bord : eine Richterin, eine Staatsanwältin, einen Urkundsbeamten,  Polizisten, manchmal auch einen Arzt und eine Krankenschwester. Der Bus und die "Almirante do Brasil" sind  mobile Gerichtssäleund für die weit verstreut im Regenwald lebenden, von jeglicher "Zivilisation" abgeschnittenen Menschen die einzige Möglichkeit, so etwas wie Recht und Gerechtigkeit zu erfahren.

Die Beurkundung von Geburten, Todesfällen und Hochzeiten sind die Hauptaufgaben, aber es werden auch alle möglichen Zivil- und Strafverfahren verhandelt und möglichst sofort abgeurteilt. Es geht um Streit über die Landaufteilung, Grundstücksverkäufe, gesunkene Boote, gestohlene Motoren, Überfälle von Landstreichern, Viehdiebstähle und Wilderei, bis hin zu schlimmen Gewalttaten.   Die Besatzungen leisten auch erste Hilfe bei Unfällen, Malaria usw.  

 

Die meisten Gebiete in Amazonas sind nur per Schiff zu erreichen

Schwimmende Rettung

Gleichmäßig tuckert der Diesel durch die Abendstille und über dem Bug geht die Sonne glutrot unter. Wir sind auf einem Schiff unterwegs, dies allein ist nichts Ungewöhnliches in Amazonas, aber wir sind an Bord des Krankenhausschiffes "Oswaldo Cruz" . Mit uns sind Ärzte, Schwestern und Sanitäter auf ihrem Einsatz am Amazonas, bei dem sie kostenlose medizinische Versorgung bis in die hintersten Winkel der der Amazonasregion bringen. Das Schiff gehört dem brasilianischen Militär.  Es   transportiert medizinische Ausrüstung, Medikamente, Verbandsstoffe, verfügt über Zahnarztstühle und sogar einen mobilen Operationssaal.

Die jungen Ärzte bei diesem Einsatz haben sich entschlossen, ein Jahr lang dabei zu helfen, die abgelegenen Dörfer am Amazonas medizinisch zu versorgen.  Sie wird von einem leitenden Arzt  eingewiesen, der bereits viele Jahre mit der "Oswaldo Cruz" unterwegs ist.  Die Ärzte werden auf ihren Reisen nicht nur als Mediziner benötigt, sondern sie müssen oft Unterricht in Grundlagen der Hygiene geben.  

40- 60 Dörfer möchten die Crew der "Oswaldo Cruz" auf ihrer vier- bis sechswöchigen Reise aufsuchen - vorausgesetzt, diese werden gefunden. Denn die kleinen, schwimmenden Dörfer  ändern häufig ihren Standort, wenn die Wasser der Flüsse zu hoch steigen oder ein neues Ackerland benötigt wird. Kaum jemand besitzt ein Funkgerät, um seine aktuelle Position durchgeben oder ärztliche Hilfe herbeirufen zu können. Auf dem Land gibt es in fast jedem Dorf einen medizinischen Stützpunkt, aber im Reich der Mutter des Wassers ist deren Errichtung ungleich schwieriger. Auch dafür ausgebildetes Personal ist ein Problem. So wird das Schiff auch in den kommenden Jahren noch viel, viel Arbeit haben.